Bericht in „happy tennis“ Ausgabe 07/2004

Rasentennis in Österreich

Im oberösterreichischen Kremsmünster sprießt der gleiche Rasen wie in Wimbledon. „Es muß ja nicht gleich London SW 19 sein“, dachte sich Martin Huber, und inhalierte das Flair des heimischen Rasen-Mekkas.

„Glaub mir, die Leute haben früher schon gewußt, was schön ist. Rasentennis, das ist das Nonplusultra – wie wenn du mit einem Ferrari fährst.“ Dann laß‘ uns die ,12 Zylinder einmal kräftig durchputzen, denke ich mir insgeheim, noch deprimiert vom gestrigen stundenlangen Sandplatzgerangel. Doch Gottfried Stadlhuber, Besitzer der einzigen öffentlichen Rasenplätze in Österreich, geht es ruhig an. er nimmt sich Zeit für seinen Besuch. „Wir sind hier mitten im Sauerstoffzelt“, grinst er und zieht dabei seine rotweißrote Trainingsjacke mit der Aufschrift „Team Austria“ aus. Er hat recht. Die zwei Rasenplätze liegen beinahe kitschig am Fuße des Kirchbergs, nur wenige Meter von der Baseline entfernt plätschert die Krems still vor sich hin. Die Sonne blinzelt hin und wieder durch die Wolkendecke, Vogelgezirpe von den unzähligen Bäumen rundum untermalt das malerische Ambiente.
„Ein Tennislehrer, der noch nie auf Rasen gespielt hat, ist wie ein Skilehrer ohne Slalomerfahrung.“
Die Ignoranz mancher gegenüber dem Rasen ärgert den Anlagenbesitzer.

„Vor 20 Jahren habe ich ihn angebaut. Jeder hat gesagt: Das geht in Österreich nicht.“
Gottfried Stadlhuber meint den Rasen; den er seitdem täglich hegt und pflegt, sprich auf ,,4,3mm stutzen, vertikutieren und linieren.“ Mein Einwand, daß das Grün in Wimbledon doch 7mm lang ist, kostet ihm nur ein beiläufiges Grinsen. Schnell wird klar, daß sich in der urigen Gestalt Kompetenz und Leidenschaft vereinen. „Den Rasensamen krieg ich „direkt aus Wimbledon“, fährt er fort, „über Beziehungen von einem Greenkeeper.“ An Tennis denke ich in diesem Augenblick schon nicht mehr. Stadlhuber sowieso nicht – der Pionier des österreichischen Rasentennis ist in Fahrt. Aus Schulterhöhe läßt er die Filzkugel auf den Rasen plumpsen, ploop, der Ball springt nicht einmal bis zur Mitte seines Schienbeins hoch. „Eine Eigenschaft des Rasens ist, daß die Bälle nicht so hoch springen. Auf Sand würde er beckenhoch zurückfedern.“ Volley demonstriert er die zweite Eigenheit des Spiels auf Rasen. Tief gebückt gibt er dem am Rasen liegenden Ball mit zwei Fingern jeden nur denkbaren Drall. „Die Grashalme nehmen jeden Schnitt an. Oft wird gesagt, der Ball verspringt sich – das stimmt nicht.“ Es sollte nicht das letzte Vorurteil bleiben, mit dem der mehrfache Senioren-Landesmeister an diesem Sonntagnachmittag aufräumt.

Wimbledon II
Etliche Profis haben sich schon am satten Grün im Kremstal den letzten Schliff für Wimbledon geholt: „Schett war öfters da: auch Paulus. Wiesner. Magnus Gustafsson. Bammer erst letztes Monat.“ An einem Spieler bleibt Stadlhuber hängen: „Christian Saceanu hat 1992 zehn Tage hier trainiert, sich alles selbst bezahlt. In Wimbledon ist er dann Agassi, der in diesem Jahr gewann, in der Runde der letzten 16 knapp unterlegen, zwei Mal im Tiebreak – er war praktisch ebenbürtig.“
Eine Art Startschuß, daß auch wir zum Racket greifen. Aber keine Spur von V12 oder Ferrari. Wir plazieren uns knapp zwei Meter vom Netz entfernt. Beim ersten Ballkontakt erschrecke ich regelrecht, ich hätte den Treffpunkt mindestens 20cm höher erwartet. Der Absprung erinnert mich an Softball-Tennis. „Kleine Schritte, vorn warten mit dem Schläger.“ Der Tonfall in der Stimme des Hoteliers hat vom Geschichtenerzähler zum Tennislehrer umgeschlagen. „Viele Leute beginnen gleich von hinten zu spielen, winken nach einem Ball ab und lästern: Der Ball springt nicht. Aber man muß sich an die Bedingungen gewöhnen, sich darauf einstellen. langsam…“

Es dämpft, man schwebt…
Schön langsam begreife ich. wo die Leidenschaft dieses Mannes entspringt: Man schwebt förmlich auf diesem Untergrund, der
Boden dämpft die Bewegungen sanft ab. verleiht ihnen etwas Rundes – auch das Spiel profitiert davon, es geht einem irgendwie leichter von der Hand. „Es gibt nichts Vergleichbares. In der Natur sein, das Weiche unter den Füßen, das natürliche Grün, mit einem Ball auf Rasen spielen – etwas ganz Besonderes“‚, scheint der Routinier meine Gedanken zu lesen. „Weißt Du. die Leute haben durch Wimbledon ein falsches Bild vom Rasentennis“. erzählt er weiter. „die spielen Aufschlag/Volley mit 240km/h“, bumm bumm, du siehst keinen Ballwechsel. Jeder glaubt, das ist Rasentennis. Der Gusto, es selbst einmal zu versuchen, wird leider nicht vermittelt.“ Von bumm bumm ist bei uns keine Rede. Genüßlich spielen wir uns die Kugel direkt auf die Pfanne, dabei hat man sogar mehr Zeit für den Schlag als auf Sand. Hin und wieder geht mit einem der Spielwitz durch, und es wird einem Slice, der auf Rasen zur Waffe mutiert, nachgegangen. Das Spiel des heimischen Rasen-Pioniers ist wie geschaffen für diesen Untergrund. Auch die Vorhand für diesen Untergrund spielt er leicht unterschnitten, um danach mit einem „Mmmmh“ ans Netz aufzurücken. „Einifoan“, sagt er sich oft selbst vor. Als Ihrem Redakteur ein feiner Dropshot auskommt, retourniert er verbal: „Schweinsauge.“ Wer frequentiert eigentlich die Rasenplätze? „Die Leute kommen von überall her: aus Wien, aus München. Vom 7km entfernten Verein in Kematen hat aber noch keiner gespielt.“ Die Angst vor dem angeblich schnellen Belag Rasen ist möglicherweise zu groß. Zu unrecht. Wenn man nicht schnörkelloses, aggressives Tennis und tiefe Slices spielt, ist der Untergrund keinesfalls schnell. Stadlhuber verlegt sogar Anfängerstunden auf Rasen: „Weil man gezwungen ist, technisch richtig vor dem Körper zu schlagen. Die Grundtechniken werden auf Rasen perfekt vermittelt, auch Hobbyspieler entwickeln darauf ihr Spiel weiter.“ Als ich zum Abschluß einen eigentlich unspielbaren, tiefen Rückhand-Volley übers Netz schlenze, höre ich den Beifall von den weitläufigen Tribünen des Centre Courts auf mich herunterprasseln. Oh, oh – es ist wohl an der Zeit aufzuhören.

Das Spiel auf Rasen

Absprung:
Im Vergleich zum Sandplatz springt der Ball auf Rasen sehr viel niedriger ab. Beim gemütlichen Spiel von der Grundlinie hat man dadurch mehr Zeit, sich zum Ball zu stellen und in Ruhe zu schlagen. Ein gut gespielter Stop bleibt last liegen.

Drall:
Der Ball nimmt auf Rasen wirklich jeden Schnitt an. Aufschlag und Slice mutieren zu regelrechten Waffen, die auf der grünen Spielfläche nur so wegflutschen. Damit stellt der Unterschnitt eine perfekte Möglichkeit dar, Spiel und Gegner zu beschleunigen.

Schnelligkeit:
Das Gerücht, daß Rasen der schnellste Belag sei, stimmt nur zum Teil. Spielt man solides Grundlinientennis, kommt man zu längeren Ballwechseln als auf Sand. Forciert man das Tempo mit aggressivem, flachem Tennis oder tiefen Slice-Bällen, entpuppt sich der Belag als schnell.

Fazit:
Rasentennis ist etwas für Spieler jeder Spielstärke. Wirklich jeder kann auf Rasen sein Spiel um einige Facetten erweitern oder einfach nur das spezielle Flair inhalieren. Das Ambiente in Kremsmünster lädt dazu ein, sich für einen Moment am heiligen Rasen zu wähnen.